top of page

Quiet Firing – Wenn nur die eigene Kündigung übrigbleibt


Frau fasst sich an den Kopf und schaut auf einen Laptop. Im Vordergrund liegt eine Brille.

Wer Angestellte nicht mehr haben möchte, kann sie kündigen. Das kann jedoch ein Nachspiel haben und teuer sein. Viel einfacher wäre es doch, wenn die Mitarbeiter selbstständig kündigen würden. Um das zu erreichen, wird nach und nach an Stellschrauben gedreht, bis die Arbeitsumstände für den Angestellten unerträglich werden und selbstständig gekündigt wird. Diesen Vorgang nennt man Quiet Firing.

 

Wer ins Gesetzbuch schaut, wird feststellen, dass es diverse Anlässe gibt, eine Kündigung auszusprechen. Das Problem dabei (aus Arbeitgeberperspektive): Dies birgt immer ein gewisses Risiko, denn der Grund kann vor Gericht angefochten werden. Damit ist der Arbeitgeber in der Pflicht, Fehlverhalten wie Mobbing, inner- oder außerbetriebliche Gründe oder Arbeitszeitbetrug nachzuweisen[1]. Das kostet Zeit und Geld.


Wäre es da nicht viel einfacher, wenn die Angestellten von sich aus kündigen? Dabei entfallen zum Beispiel Ansprüche auf Abfindungen und die Lohnfortzahlung innerhalb der Kündigungsfrist. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht klingt das erst einmal sehr gut. Daraus hat sich ein Phänomen entwickelt, dass einen Namen bekommen hat: Quiet Firing – die stille Kündigung.


Dabei werden Angestellte von ihrem Unternehmen nach und nach ausgegrenzt, bis sie freiwillig kündigen. Dies geschieht in der Regel eher subtil, die Grenze zum Mobbing wird gerade eben so nicht überschritten[2].  Bereits 49 % aller Befragten in einer Linkedin Umfrage haben schon einmal mit Quiet Firing zu tun gehabt – eine Zahl, die darauf hindeutet, dass es dieses Phänomen schon länger gibt[3].


Wie kann Quiet Firing aussehen? Worauf sollte man achten?

Kurz gesagt, wird mit allen Mitteln dafür gesorgt, dass die Arbeit keinen Spaß mehr macht. Beispiele gibt es viele: Arbeitsbereiche werden entzogen, dafür sinnlose Aufgaben vergeben, Betroffene werden übergangen, nicht mehr zu Meetings eingeladen, sind dauerhaft negativer Kritik ausgesetzt und warten vergeblich auf eine Gehaltserhöhung oder werden ungerecht bezahlt[4]. Der oder die Vorgesetzte weicht den Betroffenen aus, vermeidet das Gespräch oder direkten Kontakt. Der Vorgang könnte auch mit dem Gefühl beschrieben werden „rausgeekelt“ zu werden oder beruflich ins Abseits geschoben zu werden.  


Was sind die Gründe für Quiet Firing?

Neben den bereits erwähnten monetären Motivationen (Abfindungen, laufende Personalkosten), kann es auch sein, dass es schlicht keinen triftigen Kündigungsgrund gibt. Angestellte können aus Unternehmenssicht unbequem geworden sein oder (aus Sicht des Arbeitgebers) nicht mehr ins Team passen. Nicht unerheblich ist auch ein zunächst banal erscheinender Grund: Die Konfliktscheue und Angst vor unangenehmen Gesprächen seitens der Vorgesetzten. Auch bereits gescheiterte Einigungsversuche nach Gesprächen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können dazu führen, dass Arbeitnehmer still gekündigt werden. Das Verhalten der Vorgesetzten ist dabei in der Regel keine bewusst eingesetzte Taktik, sondern ein Zeichen für Führungsschwäche[5].


Wie kann man sich als betroffene Person gegen Quiet Firing wehren?

Zunächst ist es wichtig, sich der eigenen mentalen Gesundheit zu widmen, denn im schlimmsten Fall geht dies nicht spurlos an der Psyche vorbei. Dauerkritik und ungerechte Behandlungen können das Selbstwertgefühl nachhaltig stören. Natürlich ist es sinnvoll die eigenen Handlungen zu reflektieren, beim Quiet Firing liegen die Gründe jedoch in der Regel bei den Vorgesetzten und nicht dem eigenen Fehlverhalten.


Was also tun? Sind Sie betroffen, müssen Sie die „stärkere Person“ sein: Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Vorgesetzten, auch wenn die andere Seite versucht, dieses Gespräch zu vermeiden oder zu verweigern. Schildern Sie Ihre Wahrnehmung – im besten Fall handelt es sich um ein Missverständnis, das aufgeklärt werden kann. Dokumentieren Sie Ihre Arbeit, überlegen Sie sich Lösungsvorschläge wie beispielsweise eine Versetzung in ein anderes Team. Das sollte nicht Ihre Aufgabe sein, wird aber helfen, die Situation zu verbessern. Haben Sie das Gefühl, dass das Gespräch eher kontraproduktiv war, können Sie abwägen, ob Sie das Unternehmen verlassen (denken Sie an Ihre mentale Gesundheit) und einen Aufhebungsvertrag vorschlagen. 

 

Was kann ich tun, wenn ich Quiet Firing bei einem Teammitglied beobachte?


  • Sprechen Sie mit der betroffenen Person. Bieten Sie Ihre Hilfe und ein offenes Ohr an. Zu zeigen, dass die Person sich das Phänomen nicht nur eingebildet, sondern dieses auch von anderen wahrgenommen wird, kann der betroffenen Person helfen, den Mut zu finden, das Problem bei der Führungskraft zu adressieren.

  • Holen Sie auch den Rest den Teams ins Boot! Sprechen Sie mit den anderen Mitgliedern darüber, was vor sich geht.

  • Nutzen Sie (und Ihr Team) ihre bessere Position, um als Sprachrohr und Unterstützung für die betroffene Person zu fungieren. Fragen Sie (mit mehreren Personen) nach, warum die betroffene Person nicht im Meeting ist. Fragen Sie nach, warum die betroffene Person kein neues Projekt zugewiesen bekommt. Platzieren Sie mit mehreren Personen, dass die betroffene Person auf einen Termin mit der Führungskraft wartet. Das muss nicht konfrontativ geschehen, sondern kann auch in Form von „harmlosen“ Nachfragen erfolgen.


Je nachdem, was für ein Verhältnis Sie zu Ihrer Führungskraft haben, können Sie diese natürlich auch vertraulich darauf hinweisen, dass es so scheint, als ob ein Teammitglied derzeit ungerecht behandelt wird. So geben Sie der Führungskraft die Chance, ihr Verhalten selbstständig zu korrigieren, denn wie oben beschrieben, geschieht dieses meist nicht bewusst. Falls sich nichts ändert, nutzen Sie die Macht des Teams: Fragen mehrere Personen immer wieder nach dem Grund für das offensichtlich ungerechtem Verhalten der betroffenen Person gegenüber, wird es für die Führungskraft sehr schwierig, das Verhalten fortzusetzen, insbesondere, da der Grund, wie beschrieben, häufig dabei liegt, dass Führungskraft unangenehmen Gesprächen ausweichen möchten.

 

Wo ist die Grenze zum Mobbing? Ist Quiet Firing nicht eigentlich Mobbing?

Die Symptome von Quiet Firing verlaufen oft sehr nah an der Grenze zu Mobbing: „Die Grenze zum offenen Mobbing wird oft gerade nicht überschritten, Quiet Firing ist unterschwelliger. Mitarbeiter sollen gar nicht so richtig merken, dass sie gerade zu Kündigungen gedrängt werden.“[6].


Dennoch ist es ein sehr schmaler Grat zwischen nachweislichem Mobbing und Quiet Firing. Hier sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass Quiet Firing nicht zu einer Mobbing-Klage führen kann. Diese ist letztendlich deutlich schädlicher für das Image des Unternehmens als eine normale Kündigung, die natürlich auch vor dem Arbeitsgericht angefochten werden kann, dem Image des Unternehmens dabei jedoch wohl kaum schaden wird.

 

Warum ist Quiet Firing nicht nur für Betroffene, sondern auch für das Unternehmen schädlich?

Wird jemand im Team anders behandelt, bleibt das von den anderen Teammitgliedern natürlich nicht unbemerkt. Die Folge ist ein Vertrauensbruch und die Frage, ob man selbst der oder die Nächste ist[7]. Schlechte Voraussetzungen für eine gesunde und vertrauensvolle Kommunikation, die so wichtig für einen produktiven Arbeitsalltag ist. Dass sich stumme Kündigungen auch auf das Unternehmensimage schlecht auswirken, liegt auf der Hand[8]. Auch die Motivation, Kosten durch eine direkte Kündigung zu sparen, ist eine Milchmädchenrechnung: Niemand weiß, wie lange es dauert, bis die „in Ungnade“ gefallene Person kündigt und ob sie es überhaupt tut. Bis dahin hat man nichts weiter als laufende Personalkosten für Angestellte, die keine richtige Arbeit übernehmen (können), da ihnen dies verweigert wird. 

 

Fazit zum Quiet Firing

Sollten Sie Anzeichen für Quiet Firing bei sich persönlich oder in Ihrem Unternehmen beobachtet haben, gilt es zu handeln. Sei es eine Schulung für Vorgesetzte, wie diese lernen, mit Konfliktsituationen umzugehen, als Teammitglied der betroffenen Person zur Seite stehen oder als betroffene Person das Ansprechen der eigenen Situation bei den Vorgesetzten. Im „worst case“ ist ein Aufhebungsvertrag oftmals eine gute Lösung für beide Seiten.


Die vermeintlichen Vorteile von Quiet Firing sind alles in allem eine Illusion. Geklagt werden kann immer, ob es wegen Mobbing oder einer Kündigung ist, wobei eine Klage wegen Mobbing deutlich schädlicher für das Unternehmen ist. Kosten werden ebenfalls nicht eingespart und zudem mit der Psyche der Betroffenen gespielt. Die Teamproduktivität und das Vertrauen wird nachhaltig beschädigt.

 


 

Foto von Elisa Ventur auf Unsplash


 

0 Kommentare

Ähnliche Beiträge

Alle ansehen
bottom of page