Ob Quiet Hiring, Quiet Quitting oder Quiet Firing – was hat es mit diesen stillen Vorgängen auf sich? Eines haben alle gemeinsam: Es sind Arbeitsphänomene, die wir seit Ewigkeiten kennen, die nun aber einen Namen und Aufmerksamkeit bekommen haben. Adressiert durch die Gen Z auf Social Media bekamen alle diese Vorgänge nach und nach einen griffigen Namen. Wir schauen uns in diesem Artikel an, wieso diese Phänomene eigentlich still (quiet) sind, was Social Media und der Arbeitsmarkt damit zu tun hat und wie ein Wandel möglich ist, der diese stillen Vorgänge verhindert.
TikTok: Geburtsort für Buzzwords
Der Quiet-Trend begann mit einem Video von dem US-Amerikaner und ITler Zaid Khan, der den Begriff Quiet Quitting[1] erklärte. Das Video ging viral, Millionen von (jungen) Menschen fühlten sich davon angesprochen[2]. Dies war der Startschuss für diverse TikToker und Instagrammer, um unterschwellige Phänomene der Arbeitswelt in eine Form zu gießen und diese benennbar zu machen. Das Internet erledigt hier quasi im Zeitraffer die Arbeit der Soziologie.
Komplexen Vorgängen einen eingängigen Namen zu geben, ist ein Vorgang, der nicht neu ist, aber sich durch Social-Media deutlich schneller entwickelt. Bei TikToks, Reels und Co., ist es wichtig, Inhalte kurz und ohne viel Kontext vermitteln zu können – dafür braucht es Buzzwords. Man könnte zum Beispiel sagen: „Meine Chefin nimmt mich nicht ernst, sagt, ich hätte Dinge vergessen, die sie mir gar nicht gesagt hat und dreht mir das Wort im Mund um“. Ganz schön lang. Man kann aber auch einfach den Begriff „Gaslighting“ benutzen: „Meine Chefin gaslightet mich“[3]. Die jüngere Generation weiß, was damit gemeint ist, denn sie bestimmt und etabliert diese Trendworte.
Vor 10 Jahren innovativ und toll, heute lahm und abschreckend: Begriffe wandeln sich rasend schnell
Dass diese Buzzwords sich im Laufe der Zeit verändern und teilweise gegensätzliche Bedeutungen bekommen, macht die ganze Sache nicht einfacher. Nehmen wir zum Beispiel den guten alten Obstkorb aus Stellenanzeigen und den gern genutzten Benefit: „Wir sind hier wie eine große Familie!“. Vor 10 Jahren waren das noch tolle, innovative Benefits. Es schrie nach einem jungen, dynamischen Unternehmen, dass mit Freiheit (und auch dem allzu oft beschworenen Kickertisch) winkte. Arbeiten, wie in einer großen Familie, wow! Dort wird geduzt, man spricht auf Augenhöhe, man passt aufeinander auf. Dort zu arbeiten, ist wie mit Freunden abhängen!
Inzwischen sind diese beiden Hinweise in Stellenanzeigen (vor allem für die jüngeren Generationen) eine - da haben wir es wieder mit den Buzzwords - red flag. Gen Z möchte keinen Obstkorb, Gen Z möchte nicht nach Feierabend am Tischkicker über die Arbeit reden. Gen Z möchte klare Arbeitszeiten. Und Arbeit und Freizeit klar trennen, deshalb möchten sie auch nicht in einem Konstrukt von „wie eine große Familie!“ arbeiten – da hat man ja nie Feierabend. Und mal ganz ehrlich, wer möchte denn schon gerne mit seiner Familie zusammenarbeiten?
Die jüngere Generation lässt sich von diesen vermeintlichen Buzzwords nicht mehr blenden, denn hinter dem Obstkorb und Tischkicker versteckte sich allzu oft eine Kultur voller unvergüteter Überstunden, keine Trennung von Freizeit und Arbeit sowie schlechte Bezahlung.
Aber wieso nun alles quiet?
Schaut man sich Studien zu diesen drei Buzzword-Begriffen an, zeigt sich schnell, dass so gut wie jeder Arbeitnehmer (oder Arbeitgeber) mindestens einen dieser Vorgänge schon am eigenen Leib erfahren oder beobachtet hat, unabhängig von der Generation. So "quiet" scheint es also gar nicht zu sein, jeder weiß darum. Dennoch sind es Phänomene, die nicht offensichtlich sind. Man muss genau hinschauen. Die Grenzen sind oft schwammig und schwierig zu definieren. Wie beim Quiet Firing, kann es auch eher ein Gefühl sein, dass diesen Vorgang am besten beschreibt. Fest steht, dass alle diese Dinge nicht offen kommuniziert werden. Und das ist es, was es still macht. Die Kommunikation wird vermieden, durch das nicht-ansprechen, das Schweigen und Senden von unterschwelligen Botschaften wird einfach das jeweils Beste gehofft: Weniger Stress bei der Arbeit durch Quiet Quitting für Arbeitnehmer, Kostenersparnis und keine anstrengenden Gespräche für die Arbeitgeber beim Quiet Hiring und Quiet Firing.
Warum kann man diese Dinge nicht offen ansprechen?
Das sollte man. Es ist aber nicht immer möglich. Arbeitnehmer haben das Gefühl, sich vor ihrem Arbeitgeber schützen zu müssen. Das von den hier genannten drei bekanntesten Begrifflichkeiten nur eine davon in erster Linie positiv für den Arbeitnehmer ist (Quiet Quitting), spricht für sich. Durch Strukturen und vor allem der Angst vor den möglichen Konsequenzen, werden diese Phänomene nicht offen im Unternehmen adressiert. Oftmals macht die Angst davor das Problem erst möglich (z.B. beim Quiet Firing) und kann aber, durch eine Schulung oder Zusammenarbeit mit Experten gelöst werden.
Schauen wir einmal, wie diese drei Phänomene zustande kommen und was ein möglicher Lösungsansatz dagegen wäre:
Quiet Quitting: Die Motivation ist weg, der Mitarbeiter ist desillusioniert und macht nur noch das Nötigste. Wie kann dem entgegengewirkt werden? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht. Meistens sind grundsätzliche Strukturen falsch, der Mitarbeiter wurde unfair behandelt oder ist schlicht gelangweilt. Hier können Führungspersonen glänzen, die es verstehen, ihr Team zu motivieren und Strukturen im Unternehmen zu hinterfragen. Mehr Lösungsansätze gibt es in unserem Blogbeitrag zum Thema Quiet Quitting.
Quiet Hiring: Nach einer Kündigung wird die offene Stelle nicht neu besetzt, sondern die Aufgaben auf das Team verteilt. Wie in unserem Blogartikel beschrieben, kann das, je nach Form, auch eine Chance für Mitarbeiter sein. Allerdings wird Im schlimmsten Fall einfach erwartet, dass weitere Aufgaben ohne zusätzliche Vergütung oder Schulung übernommen werden. Dieser Fall lässt sich sowohl vom Mitarbeiter als auch vom Unternehmen vorbeugen, in dem solche Vorgänge transparent und geplant angegangen werden. Eine Schulung und Gehaltsanpassung sind eine faire Lösung für die Arbeitnehmer, die diese aber gegebenenfalls erst aktiv einfordern müssen.
Quiet Firing: Ein unbequem gewordener Mitarbeiter wird durch verschiedene Methoden aufs „Abstellgleis“ geschickt und verliert so den Sinn in der Arbeit. Ein (meist unbewusster) Vorgang von Vorgesetzten, mit der Hoffnung, dass der Angestellte von sich aus kündigt. Naheliegend ist - für beide Parteien - das Gespräch zu suchen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Auch eine Schulung über Arbeitsrecht für Führungskräfte oder eine Zusammenarbeit mit der Personalabteilung kann sinnvoll sein. Quiet Firing entsteht nämlich oft aus der Angst heraus, nach einer Kündigung des Mitarbeitenden mit einer Klage rechnen zu müssen, weshalb versucht wird, den Mitarbeitenden selbst zu einer Kündigung zu bewegen. Mehr Tipps zum Umgang mit diesem komplexen Thema gibt es hier in unserem Blogbeitrag.
Danke Gen Z, dass ihr Phänomene sichtbar macht!
Der Arbeitsmarkt ist, dank des Generationenwechsels, im Wandel, das stimmt. Aber es geht nur langsam voran. Corona hat zumindest einen positiven Aspekt gehabt: Arbeitnehmer mussten Mitarbeitern plötzlich Freiheiten gewährleisten, die sie vorher vermieden oder nicht priorisiert haben, wie Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit. Sie waren aufgrund der Umstände einfach dazu gezwungen. Und es ging ja auch während Corona irgendwie, oder? Das Stichwort für die Gen Z, die in dieser Zeit immer mehr auf den Arbeitsmarkt kam, um die Grundfeste dieses Marktes zu hinterfragen.
Als Employee Experience Prediger müssen wir sagen: Gen Z, wir sind euch dankbar! Durch die Adressierung von „toxischen“ Verhalten hat ein Umdenken am Arbeitsmarkt stattgefunden. Inzwischen haben die meisten Unternehmen begriffen, dass sie sich an den Markt anpassen müssen und nicht andersherum. Um es mit dem Worten einer TikTik Userin zu sagen „Du findest die Arbeitsmoral der Gen Z scheiße? Dann stell uns halt nicht ein. Dann hast du bald gar keine Angestellten mehr. Deine Wahl.“. Man kann es sich nicht mehr leisten, ein unattraktiver Arbeitgeber zu sein. Schreiende Chefs, miserable Bezahlung und katastrophale Kommunikation gehören hoffentlich in ein paar Jahren zu den Anekdoten, die man schaudernd seinen Kindern erzählt: „Mein Chef hat mich noch angeschrien! Unglaublich, oder?!“
Was muss sich ändern um Quiet-Phänomene zu vermeiden?
Mitarbeiter sind Menschen, keine Zahlen oder "Headcounts"
Führungskräfte, Kommunikation, Ehrlichkeit, Vertrauen, das muss sich alles ändern. Aus Sicht der Arbeitgeber: Die betriebswirtschaftliche Brille im Umgang mit Mitarbeitern ablegen. Sich in die Perspektive des Arbeitnehmers reinversetzen und ernsthaft reflektieren, wie man das eigene Verhalten selbst finden würde. Eine Beförderung mit neuem Aufgabenbereich und mehr Verantwortung bei nur 100€ brutto mehr? Ist das wirklich ein tolles Angebot? Oder würde ich nicht selbst auch den Vogel zeigen und anfangen, nach anderen Jobs zu schauen? Das Synonym „Headcounts“ für Mitarbeiter aus dem BWL-Studium sollte schleunigst aus den Köpfen verschwinden. Mitarbeiter sind Menschen und keine Headcounts.
Trennung von Expertise und Führung
Ein Punkt, der hoffentlich immer mehr Einzug in die Arbeitswelt finden wird, ist die Trennung von fachlicher und menschlicher Führung. Nur weil jemand fachliche Expertise hat, heißt das nicht, dass er oder sie Menschen führen kann. Führungskräfte sind oftmals das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht einen Job zu behalten oder nicht. Wie heißt es so schön? Mitarbeiter verlassen nicht ihr Unternehmen, sondern ihre Führungskraft. Es lohnt sich, in gute Führungskräfte zu investieren, die Ahnung von Menschen und nicht (nur) der Materie haben.
Eine gesunde Arbeitskultur siegt langfristig über finanzielle Anreize.
Klar, es ist nicht immer alles möglich. Wir sind immer noch in der Wirtschaft und nicht bei „Wünsch-Dir-Was“. Es geht aber auch gar nicht so sehr um finanzielles. Gute Gehälter sind ein Hebel, um Mitarbeiter anzulocken, funktionieren aber nicht dauerhaft als Motivator. Es geht um etwas, das kostenlos ist: die Kommunikation. Der Ton gegenüber Angestellten. Den Umgang mit Problemen. Wertschätzung, nicht nur finanziell. Wenn das Arbeitsumfeld so offen ist, dass die Arbeitnehmer nicht das Gefühl haben, andauernd auf der Hut zu sein z müssen und Probleme adressieren zu können, ist schon eine gute Vertrauensbasis gelegt. So können stille Phänomene wie Quiet Quitting, Firing und Hiring angesprochen werden, bevor sie überhaupt zum Problem werden.
Foto von Lisette Harzing auf Unsplash
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